Zusammenfassung § 88 Absatz 2 BHO veröffentlicht (Gz IX – 2020 – 0523) Bundesrechnungshof Potsdam, den 23. Mai 2022
Das Dokument behandelt die finanziellen Risiken des Bundes aufgrund der demografischen Entwicklung und deren Auswirkungen auf die Sozialversicherungen in Deutschland.
Demografische Entwicklung und Finanzrisiken
Die demografische Entwicklung in Deutschland führt zu erheblichen finanziellen Risiken für die Sozialversicherungen und den Bundeshaushalt.
• Die Bevölkerung wird älter, die Lebenserwartung beträgt 78,4 Jahre für Männer und 83,2 Jahre für Frauen.
• Der Anteil der Erwerbstätigen sinkt, was zu steigenden Ausgaben der Sozialversicherungen führt.
• Die finanzielle Unterstützung des Bundes für Sozialversicherungen könnte bis 2060 auf 454 Mrd. Euro ansteigen, was 4,9 % des BIP entspricht.
• Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz könnte bis 2060 auf 53,3 % steigen, wenn keine Reformen durchgeführt werden.
Notwendige Maßnahmen zur Finanzierung
Um die Finanzierung der Sozialversicherungen langfristig zu sichern, sind umfassende Reformen erforderlich.
• Der Bund muss die Finanzierung der Sozialversicherungen langfristig planen und die Lasten gerecht verteilen.
• Vorschläge umfassen die Einführung einer dynamischen Regelaltersgrenze und die Einbeziehung aller Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung.
• Eine Kombination von Reformen könnte den Anstieg des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes um 4,5 Prozentpunkte dämpfen.
Stellungnahme der Bundesministerien
Die Bundesministerien erkennen die Herausforderungen, lehnen jedoch einige Reformvorschläge ab.
• Die Ministerien betonen, dass langfristige Projektionen mit großen Unsicherheiten behaftet sind.
• Einige Reformmaßnahmen sind bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen, andere werden abgelehnt.
• Es bleibt abzuwarten, wie die geplanten Maßnahmen in Gesetze umgesetzt werden.
Mangelnde Transparenz in der Sozialversicherung
Die Finanzierung der Sozialversicherungen ist intransparent und birgt Risiken für den Bundeshaushalt.
• Der Bund leistet bereits erhebliche Zuschüsse, die nicht transparent ausgewiesen sind.
• Es ist unklar, welche versicherungsfremden Leistungen durch die Zuschüsse abgedeckt werden.
• Ansprüche der Versicherten sind nicht ausreichend dokumentiert, was die finanzielle Situation der Sozialversicherungen verschleiert.
Sozialversicherungspolitik und Kassenlage
Die Sozialversicherungspolitik ist kurzfristig ausgerichtet und reagiert nicht ausreichend auf die demografischen Veränderungen.
• Frühere Reformen wie die Agenda 2010 haben versucht, die Systeme an die demografischen Veränderungen anzupassen.
• Aktuelle Gesetzgebungen sind oft reaktiv und nicht proaktiv in der Planung.
• Ein umfassendes Konzept zur langfristigen Stabilität der Sozialversicherungen fehlt.
Wirtschaftlicher Aufschwung und Sozialversicherungen
Der wirtschaftliche Aufschwung seit 2014 führte zu höheren Einkommen und sinkender Arbeitslosigkeit, was die Sozialversicherungen stärkte.
• Ab 2014 wurden Sozialversicherungsleistungen ausgeweitet, darunter die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren.
• Einführung der „Mütterrente I+II“ zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten.
• Angleichung des Rentenwerts zwischen Ost- und Westdeutschland.
• Die GKV schaffte 2013 die Praxisgebühr ab und führte eine paritätische Finanzierung der Beiträge ein.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Sozialversicherungen
Die Corona-Pandemie 2020 führte zu einem drastischen Rückgang der Einnahmen in den Sozialversicherungen.
• Einnahmeausfälle durch Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau wurden teilweise durch Rücklagenabbau und Bundeszuschüsse kompensiert.
• Die SPV erhielt 2020 erstmals 1,8 Mrd. Euro vom Bund zur Unterstützung.
• Die GKV erhielt zusätzliche Bundeszuschüsse von 3,5 Mrd. Euro (2020), 5 Mrd. Euro (2021) und 14 Mrd. Euro (2022).
• Der Bund finanziert Mehrausgaben durch zusätzliche Schulden, um die Wirtschaft zu stabilisieren.
Demografische Annahmen bis 2060
Die demografische Entwicklung in Deutschland bis 2060 zeigt signifikante Veränderungen in der Altersstruktur.
• Geburtenhäufigkeit wird auf 1,55 Kinder je Frau geschätzt.
• Lebenserwartung: Jungen 84,4 Jahre, Mädchen 88,1 Jahre.
• Wanderungssaldo: durchschnittlich 221.000 Personen pro Jahr.
• Bevölkerung sinkt von 83 Millionen (2018) auf 78,2 Millionen (2060).
• Altenquotient steigt von 31 (2020) auf 50 (2060), was die finanzielle Belastung der Sozialversicherungen erhöht.
Arbeitsmarktentwicklung und Erwerbsbeteiligung
Die Anzahl der Erwerbspersonen wird bis 2060 voraussichtlich stark zurückgehen.
• Erwerbspersonen sinken von 46,5 Millionen (2019) auf 39,8 Millionen (2060).
• Die Erwerbslosenquote steigt von 3,9 % (2020) auf 4,8 % (2060).
• Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sinken von 33,4 Millionen (2019) auf 27,7 Millionen (2060).
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
Das BIP-Wachstum wird durch demografische Veränderungen und Produktivitätssteigerungen beeinflusst.
• Zukünftige reale Wachstumsraten des BIP liegen unter 1,0 % pro Jahr.
• Inflationsrate wird konstant bei 1,5 % pro Jahr angenommen.
• Nominalzins steigt von -0,3 % (2019) auf 3,5 % (2060).
Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und ihre Finanzierung
Die GRV ist im Umlagesystem organisiert und finanziert sich hauptsächlich durch Beitragseinnahmen.
• Beitragseinnahmen 2020: 252,7 Mrd. Euro.
• Bundeszuschüsse: 48,2 Mrd. Euro (allgemein) und 27,1 Mrd. Euro (zusätzlich).
• Rentenausgaben 2020: 338,3 Mrd. Euro, davon 303,7 Mrd. Euro für Altersrenten.
• Rentenniveau sinkt bis 2060 auf 43,4 % des verfügbaren Durchschnittsentgeltes.
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und ihre Ausgaben
Finanzielle Situation der Sozialversicherung
Die finanzielle Lage der Sozialversicherungen wird durch demografische Veränderungen stark beeinflusst.
• Die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) steigen von 9,4 % des BIP im Jahr 2019 auf 12,3 % im Jahr 2060.
• Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen von 7,2 % auf 10,9 % des BIP.
• Die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung (SPV) steigen von 1,3 % auf 1,7 % des BIP.
• Die Gesamtausgaben der Sozialversicherungen steigen von 21,8 % des BIP im Jahr 2019 auf 29,3 % im Jahr 2060.
Entwicklung der Beitragssätze bis 2060
Die Beitragssätze der Sozialversicherungen werden bis 2060 voraussichtlich stark ansteigen.
• Der Beitragssatz der SPV erreicht 3,7 % im Jahr 2049 und bleibt dann konstant.
• Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz könnte bis 2060 auf 53,3 % steigen.
• Der Pflegevorsorgefonds erreicht 34,6 Milliarden Euro im Jahr 2034, wird aber bis 2053 abgebaut.
Tragfähigkeitsprobleme der öffentlichen Finanzen
Die demografische Entwicklung führt zu langfristigen Tragfähigkeitsproblemen in den öffentlichen Finanzen.
• Der gesamtstaatliche Primärsaldo wird ab 2028 negativ und erreicht -5,2 % des BIP im Jahr 2060.
• Die Schuldenstandsquote steigt von unter 60 % im Jahr 2019 auf 141,6 % im Jahr 2060.
• Die Tragfähigkeitslücke beträgt 5,1 % des BIP, was einen jährlichen Konsolidierungsbedarf von 175,3 Milliarden Euro bedeutet.
Reformbedarf in der Alterssicherung
Um den finanziellen Herausforderungen zu begegnen, sind umfassende Reformen in der Alterssicherung notwendig.
• Reformen sollten die Finanzierungslasten für die erwerbstätige Bevölkerung verringern.
• Eine Anhebung des Renteneintrittsalters könnte den Beitragssatzanstieg dämpfen.
• Die Einbeziehung von Selbstständigen in die GRV könnte kurzfristig den Rentnerquotienten senken.
• Eine Rentenniveau-Haltelinie könnte das Rentenniveau stabilisieren, würde aber die Beitragssätze erhöhen.
Instrumente zur Stabilisierung der Rentenversicherung
Verschiedene Instrumente können zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung eingesetzt werden.
• Die Anhebung des Renteneintrittsalters könnte den Beitragssatz um 1,1 Prozentpunkte senken.
• Die Einbeziehung von Selbstständigen könnte den Beitragssatz um 0,7 Prozentpunkte senken.
• Die Reaktivierung des Nachholfaktors könnte das Rentenniveau um 0,7 Prozentpunkte senken, während der Beitragssatz um 0,4 Prozentpunkte sinkt.
• Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze könnte kurzfristig den Beitragssatz senken, langfristig jedoch die Ausgaben erhöhen.
Kombinierte Effekte der Reformelemente
Die Kombination verschiedener Reformelemente verbessert die finanzielle Situation der Sozialversicherungszweige.
• Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz könnte auf 48,8 % steigen, statt auf 53,3 % im Basisszenario.
• Die Bundeszuschüsse würden auf 4,5 % des BIP steigen, statt auf 4,9 %.
• Das Rentenniveau könnte bis 2060 auf 53,4 % ansteigen.
Dringlichkeit politischer Maßnahmen
Die demografische Entwicklung erfordert sofortige politische Maßnahmen zur Stabilisierung der Sozialversicherungen.
• Die Anzahl der Erwerbstätigen sinkt, während die Zahl der Rentner steigt.
• Politische Entscheidungen sind notwendig, um die finanzielle Belastung zukünftiger Generationen zu verringern.
• Ein ausgewogenes Reformpaket könnte die finanzielle Situation der Sozialversicherungen stabilisieren.
Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung
Die zukünftige Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bis 2060 wird durch verschiedene Faktoren wie Rentner-quotient, Rentenniveau und Beitragssatz beeinflusst.
• Der Rentner-quotient, das Rentenniveau und die Bundeszuschüsse werden bis 2060 analysiert.
• Die Berechnungen basieren auf dem rentenrechtlichen Status quo von 2020.
• Die Ergebnisse stimmen mit anderen Berechnungen überein, sind jedoch nicht im Detail nachvollziehbar.
Finanzielle Gesamtsituation der Sozialversicherung
Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wird durch demografische Entwicklungen bis 2060 herausgefordert, was auch im Tragfähigkeitsbericht des BMF thematisiert wird.
• Der Tragfähigkeitsbericht berücksichtigt eine größere Bandbreite möglicher Entwicklungen.
• Wichtige Indikatoren wie Schuldenstandsquote und Tragfähigkeitslücke hängen stark von der Zinsentwicklung ab.
• Die Unsicherheiten in den Prognosen erfordern eine transparente Darstellung der finanziellen Situation.
Reformszenarien zur Rentenversicherung
Die Bundesregierung hat bereits im Koalitionsvertrag Reformpläne zur Anhebung des Renteneintrittsalters und zur Einbeziehung von Selbstständigen in die GRV festgelegt.
• Die Regelaltersgrenze wird auf 67 Jahre angehoben, ohne weitere Erhöhungen in der Legislaturperiode.
• Selbstständige sollen in die GRV einbezogen werden, sofern sie kein alternatives Vorsorgeprodukt wählen.
• Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze könnte den Beitragssatz senken, wenn keine zusätzlichen Anwartschaften entstehen.
Abschließende Würdigung des Bundesrechnungshofes
Der Bundesrechnungshof sieht die Notwendigkeit, die Sozialversicherungssysteme an die demografischen Herausforderungen anzupassen und fordert konkrete Reformmaßnahmen.
• Die Simulationsrechnungen zeigen den Handlungsbedarf auf, sind jedoch keine Prognosen.
• Es wird eine ausgewogene Verteilung der finanziellen Belastungen auf zukünftige Generationen gefordert.
• Der Koalitionsvertrag enthält Absichtserklärungen, die jedoch noch nicht umgesetzt sind.
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Die nachfolgende Prognose ist eine KI-gestützte Aussage, die nur eine oberflächliche und nicht verbindliche Aussage trifft. Gleichwohl sind erste Ableitungen erkennbar. Eine abschließende Bewertung soll im Rahmen des Prüfungsauftrags des Verein erfolgen.
Die gesetzliche Rentenversicherung steht in den kommenden Jahrzehnten vor erheblichen demografischen, finanziellen und strukturellen Herausforderungen. Eine belastbare Prognose muss zentrale Einflussfaktoren einbeziehen:
1. Demografische Entwicklung: Weniger Beitragszahler, mehr Rentner
Die geburtenstarken Jahrgänge (Babyboomer) gehen bis etwa 2035 sukzessive in Rente.
Gleichzeitig wächst die Lebenserwartung – Renten werden länger ausgezahlt.
Der Anteil der über 67-Jährigen an der Bevölkerung wird bis 2045 auf etwa 25–30 % steigen.
Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter (20–67 Jahre) sinkt, was die Finanzierungsbasis der GRV schwächt.
Folge:
Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern – der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor – verschlechtert sich spürbar.
2. Beitragssätze und Rentenniveau
Der Beitragssatz zur GRV liegt aktuell bei 18,6 % (Stand: 2024).
Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird der Beitragssatz bis 2035 auf 20–22 % steigen müssen, um das heutige Leistungsniveau zu halten.
Das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern, aktuell ca. 48 %) dürfte trotz Reformen perspektivisch unter Druck geraten, wenn keine zusätzlichen Finanzierungsquellen erschlossen werden.
3. Rentenpaket II und Kapitaldeckung
Die Bundesregierung hat mit dem Rentenpaket II (2024) folgende Maßnahmen auf den Weg gebracht:
Rentenniveau-Sicherung: Das Rentenniveau soll langfristig bei mindestens 48 % gehalten werden.
„Generationenkapital“: Ab 2025 fließen Haushaltsmittel in einen staatlichen Kapitalstock (Start: 12 Mrd. Euro), dessen Erträge ab ca. 2036 zur Stabilisierung der Renten beitragen sollen.
Einschätzung:
Die Kapitaldeckung ist ein erster Schritt, aber in ihrer heutigen Form noch zu klein dimensioniert, um den demografischen Druck merklich abzufedern.
4. Politische Optionen und Reformpfade
Um die Rentenversicherung langfristig tragfähig zu halten, sind folgende Maßnahmen wahrscheinlich oder denkbar:
Höheres Renteneintrittsalter (über 67 Jahre hinaus – z. B. an die Lebenserwartung gekoppelt)
Ausweitung der Beitragspflicht auf weitere Gruppen (z. B. Selbstständige, Beamte → "Erwerbstätigenversicherung")
Erhöhung des Bundeszuschusses zur GRV
Stärkere Kapitaldeckung durch staatliche oder private Vorsorgeformen (z. B. Aktienrente)
Flexiblere Übergänge in den Ruhestand zur Entlastung des Systems
Fazit: Fragile Stabilität – große Aufgaben
Die gesetzliche Rentenversicherung wird in den nächsten 10 Jahren formal stabil bleiben, auch durch politische Zusagen und Bundesmittel. Ab etwa 2035 wird jedoch der demografische Wandel mit voller Wucht spürbar, und substanziellere Reformen werden unausweichlich sein.
Die langfristige Sicherung des Rentensystems erfordert:
mehr Beitragszahler (z. B. durch Zuwanderung oder höhere Erwerbsbeteiligung),
eine gerechtere Verteilung der Lasten (z. B. Einbeziehung weiterer Gruppen),
ein intelligentes Zusammenspiel von Umlageverfahren und Kapitaldeckung


